Besicherte Forderungen: Was bei Immobiliendeals schiefgehen kann.
Häuser mit nur drei Wänden, Ferienanlagen ohne Strom- und Straßenanschluss: Wer immobilienbesicherte Forderungen kaufen will, muss sich auf einiges gefasst machen – und vor allem jeden Deal vorher gründlich prüfen. Langweilig wird es jedenfalls nie für Sebastian Pollmer und sein Team, das bei der EOS Gruppe die besicherten Portfolios mitbewertet.
Ein Blick bei Google Street View reicht. Sebastian Pollmer fährt auf dem Bildschirm an den Wänden des Gebäudes entlang. In die Breite, in die Höhe, dann einmal übers Dach. „Ich schätze, das sind 700 bis 800 Quadratmeter“, sagt er dann. Erfahrungswert. Diese Fähigkeit hat er im Job entwickelt. Der Geschäftsbereich „Secured Portfolio Valuation“, den Pollmer leitet, kümmert sich um unbezahlte Forderungen, die „secured“ sind – also durch Immobilien abgesichert. 2018 gründete EOS dafür in Hamburg eine eigene Abteilung. Denn der internationale Markt für besicherte Forderungen wächst rasant.
Zuvor war Immobilienbewertung auch eine Aufgabe für das Risikomanagement. „Aber seit 2016 expandieren wir deutlich in Osteuropa. Vor allem in Kroatien, Bulgarien, Ungarn, Serbien und Slowenien.“ Immer häufiger verkaufen dort Banken Pakete von notleidenden Krediten (abgekürzt NPL für „non-performing loan“). Und darunter immer mehr immobilienbesicherte NPLs.
Zu viele faule Kredite.
Ein Geschäft mit Zukunft, aber der Markt für besicherte Anleihen birgt auch Risiken. „Oft ist unklar, wem was gehört. Das sind ja Länder, die aus einer Transformationsphase kommen.“ Manchmal hinterließen die realsozialistischen Regime ungewöhnliche Eigentumsregelungen. In Serbien etwa kauft man oft nur das Gebäude, aber nicht den Grund, auf dem es steht. „Und in Kroatien hatten wir einmal eine Hypothek auf ein Hotel, aber nicht auf den Fahrstuhl im Hotel“, erzählt Pollmer.
Abenteuerliche Eigentumsregeln.
Wenn man die Daten denn bekommt: In manchen Ländern fehlen teilweise Grundbucheinträge oder notarielle Bestätigungen. „Es gibt Gebäude, die nirgendwo verzeichnet wurden. Gebäude, die ohne Baugenehmigung errichtet wurden, und Gebäude, die ohne Erlaubnis verkauft wurden. In Deutschland gibt es seit vielen Jahren eine EOS Gesellschaft, die das bewertet, sodass Vergleichszahlen vorliegen, aber in vielen anderen Ländern müssen wir dazu erst eine eigene Datenbank aufbauen.“ Dafür arbeitet Pollmers Abteilung eng mit Expertinnen und Experten vor Ort zusammen – und mit dem Division Management Osteuropa.
Ohne Überprüfung geht es nicht.
Auch das Selbstverständnis als Teil der Otto Group trage dazu bei: Die EOS Gruppe stehe zu ihren Angeboten und behandele auch Menschen, die mit ihren Zahlungen in Verzug geraten sind, mit Respekt. „Wenn wir Verhandlungen führen, bekommen wir auch schon mal zu hören: Ihr habt nicht den höchsten Preis geboten, aber ihr seid das Unternehmen mit dem besten Ruf.“
Nicht für jede einzelne Immobilie lohnt sich ein Ortstermin. Oft ist er auch nicht nötig. „Es sind ja viele technische Möglichkeiten hinzugekommen, mit denen man als Anleger weitere Informationen ermitteln kann“, berichtet Pollmer. Etwa über Drohnenaufnahmen oder Google Street View. „Mit der Zeit reicht dann schon ein Blick, und du weißt, dass ein Preis überhaupt nicht stimmen kann.“
Alle Überraschungen kann aber auch das nicht ausschließen. In Osteuropa erwarb EOS jüngst ein Darlehensportfolio, zu dem ein zweistöckiges Haus gehörte. Ohne Ortsbesuch. Erst nach dem Kauf wurde festgestellt, dass das Haus nur drei Wände hatte. „Bei aller Erfahrung“, meint Pollmer lächelnd, „es gibt immer Dinge, die man zum ersten Mal erlebt.“