Reduzieren Blockchain-Systeme den Aufwand für Know-Your-Customer-Pflichten?
Know-Your-Customer-Auflagen kosten den Finanzsektor jährlich Milliarden. Kann die Blockchain-Technologie den Aufwand reduzieren? Ein Gespräch mit Michael F. Spitz, Leiter der Commerzbank-Innovationstochter Main Incubator.
- Auf 25 Milliarden Dollar schätzen Expertinnen und Experten die jährlichen Kosten für Know-Your-Customer-Auflagen im Finanzsektor.
- Auf der Suche nach effizienteren und günstigeren Lösungen liebäugeln Banken unter anderem mit Blockchain-Anwendungen.
- Michael F. Spitz, Leiter der Commerzbank-Innovationstochter Main Incubator, teilt im Interview mit EOS seine Ansichten dazu.
Herr Spitz, es gibt ja kaum ein Finanzthema, bei dem nicht jemand sagt: Das geht mit Blockchain besser. Wie gehen Sie im Main Incubator mit diesem Hype um?
.jpg/jcr:content/_SIL_5531_(1).jpg)
Welchen Vorteil hat Blockchain denn im Bereich Know Your Customer (KYC), wo es harte Auflagen zum Beispiel durch das Geldwäschegesetz gibt?
Denken Sie an Firmenkunden: Die haben in der Regel mehrere Bankbeziehungen. Und jeder dieser Banken müssen Sie immer wieder dieselben Informationen geben, was immer wieder lästig ist. Und da bietet Blockchain die Möglichkeit, dass Sie die Informationen einmal einer Bank geben und die nächste darauf zugreifen kann.
Dafür muss aber die zweite Bank darauf vertrauen, dass die erste Bank die Angaben des Kunden geprüft hat.
Genau. Damit dieses Vertrauen entsteht, brauchen wir eine unabhängige Instanz. Denken Sie an Handelsregister oder Grundbücher: Das sind klassische, von Behörden kontrollierte und darum vertrauenswürdige Verzeichnisse, die aber immer nur ganz bestimmte Informationen haben. Beim KYC im Finanzbereich braucht man aber sehr viele Informationen, zum Beispiel darüber, ob es in der Firma politisch exponierte Personen gibt oder wer die wirtschaftlich Berechtigten sind.
Der Begriff Know Your Customer bezeichnet vorgeschriebene Legitimationsprüfungen gegenüber Neukunden. Das Ausmaß, in dem Finanzunternehmen und andere Wirtschaftsbereiche die Identität ihrer Kunden prüfen und dokumentieren müssen, ist eine Folge der Anti-Terrorgesetzgebung der frühen 2000er-Jahre. Aktuell gilt in der EU die Vierte Geldwäsche-Richtlinie (EU 2015/849). Dazu kommt die DSGVO, die strengere Anforderungen an Unternehmen im Umgang mit sensiblen Daten stellt.
Warum brauche ich für so ein Verzeichnis eine Blockchain? Warum reicht nicht eine ganz normale Datenbank, auf die berechtigte Parteien zugreifen können?
Für mich als Kunde ist die Datenbank also keine Blackbox, sondern ich kann bestimmen, was mit meinen Daten passiert?

Gut, aber warum sollen die Banken den Informationen aus dem Blockchain-System vertrauen?
Weil jede Information von zwei unabhängigen Dritten bestätigt worden ist. Das ist ein Wandel von einer zentralen zu einer dezentralen Instanz. Es wird viel an sogenannten Permission-Systemen geforscht: Diese sorgen dafür, dass Teilnehmer Informationen nur so einspeisen und abrufen, dass Konsens und Vertrauen entstehen. Bei populären Blockchain-Anwendungen wie Bitcoin kommt das Vertrauen daher, dass Hunderte anonyme Netzwerkknoten eine Transaktion bestätigen. Bei unseren Themen KYC und Finanzwesen werden Sie viel weniger Netzwerkknoten haben, weil dahinter eine überschaubare Anzahl von Marktteilnehmern und Institutionen steht, die sich in der Regel kennen.