Die EU revolutioniert den Online-Zahlungsverkehr

Zeitenwende in der Finanzbranche: Die EU-Richtlinie PSD2 ermöglicht seit Januar den Austausch von Bankdaten. Das gläserne Konto macht den Weg frei für neue Geschäftsmodelle – und gefährdet den Status der etablierten Banken.

 

Für die meisten Europäer war der 13. Januar 2018 ein Samstag wie jeder andere. Doch für alle Banken, Zahlungsdienstleister und Fintechs markiert dieses Datum den Aufbruch in eine neue Zeit. Denn an diesem Tag ist die Payment Services Directive 2, kurz PSD2, in Kraft getreten. Mit der zweiten Zahlungsdienste-Richtlinie will die Europäische Kommission den Zahlungsverkehr für die Kunden sicherer, effizienter und bequemer machen. Zugleich möchte Brüssel für mehr Wettbewerb und Innovation auf einem Markt sorgen, der über viele Jahrzehnte von wenigen Anbietern dominiert wurde. Nun bekommen auch junge Unternehmen aus der Finanzbranche eine echte Chance, den Großbanken Paroli zu bieten

Eine Milliarde Konten betroffen

„Mit PSD2 wird der Markt für Geldtransfer-Dienstleistungen weiter geöffnet“, sagt Sebastian Steger, Partner bei Roland Berger. Nach Berechnung der Beratungsgesellschaft betrifft die Verordnung mehr als eine Milliarde Bankkonten in Europa und ist eine der wichtigsten Veränderungen im Bankwesen der vergangenen Jahre.

Im Grunde hat die Richtlinie Auswirkungen auf jeden, der Onlinebanking nutzt oder im Internet einkauft. PSD2 schreibt zum einen vor, dass für Zahlungsweisen wie Lastschrift oder Kreditkarte keine zusätzlichen Gebühren erhoben werden dürfen. Zudem sinkt die Haftungsgrenze: Unbefugte Buchungen müssen die Banken schneller erstatten, und Kunden haften dabei nur noch bis zu 50 Euro, nicht mehr bis 150 Euro.

Zum anderen – und das ist der eigentliche Knackpunkt – dürfen auch Drittanbieter die Abwicklung der Zahlung übernehmen. Wenn sich der Kunde für einen Zahlungsauslösedienst (Payment Initiation Service Provider, PISP) entscheidet – etwa den Sofortüberweisungs-Anbieter Klarna –, kann dieser auf sein Konto zugreifen und es mit seiner Einwilligung nutzen. Im Klartext: Mit ein paar Klicks stimmt der Kunde zu, das Bankgeheimnis aufzuheben, damit der PISP den Verkäufer in seinem Auftrag bezahlen kann.
Online-Banking wird durch das PSD2-Gesetz revolutioniert. Durch die Verlagerung der Datenhoheit von den Banken auf andere Unternehmen soll die Zahlung nun sicherer, effizienter und komfortabler für den Kunden sein.

Alle Konten auf einen Blick

Darüber hinaus dürfen auch Kontoinformationsdienste (Account Information Service Provider, AISP) Informationen abrufen, wenn der Kunde einwilligt. Das ist insbesondere für Menschen interessant, die mehrere Konten online verwalten und ihren Finanzstatus in Apps wie Finanzguru oder Outbank besser im Blick behalten wollen.

So werden Fintechs, Telekommunikationsanbieter und Datenunternehmen nach einer Prüfung durch die jeweilige Finanzaufsicht offizieller Teil des Zahlungsverkehrsmarktes und dürfen somit den riesigen Datenschatz nutzen, den bislang die Banken exklusiv für sich beansprucht haben.

Banken droht der Bedeutungsverlust

„Auch europäische Banken bewegen sich schon länger in Richtung ‚Banking as a Platform‘“, sagt Peter Kleinschmidt, Leader Digital Financial Services bei der Unternehmensberatung PwC. Dabei fungiert die Bank als Ausgangspunkt für die Customer Journey. Wenn die Bank auf dieser Reise nah am Kunden bleibt, kann sie die gemeinsame Beziehung pflegen. Wenn nicht, verschwindet sie mehr und mehr aus dem Blick des Kunden und wird zu einem austauschbaren Dienst, der im Hintergrund stattfindet.

„Wer das disruptive Potenzial von PSD2 nicht erkennt und nur die regulatorischen Mindeststandards erfüllt, riskiert, durch digitale Wettbewerber deutlich geschwächt zu werden“, lautet das Fazit einer Studie von Roland Berger. PwC sieht zwei Optionen für Finanzdienstleister: Sie können sich anpassen und in neue Dienstleistungen investieren. Und sie können ihre Datenbestände monetarisieren, indem sie den Zugriff darauf durch Programmierschnittstellen (API) ermöglichen.

Diese neuen Angebote sind laut PwC vor allem für kleine bis mittelgroße Banken eine gute Gelegenheit, einen loyalen Kundenstamm aufzubauen. Zudem können sie durch Kooperationen mit Fintechs Entwicklungskosten teilen sowie neue Produkte und Services schnell auf den Markt bringen.

Partnerschaften mit Fintechs bieten sich an

Dagegen kommt es für größere Banken auf den Aufbau einer Plattform an, die traditionelle mit digitalen Zahlungsdiensten verbindet. Auch sie sind auf die Zusammenarbeit mit Dritten angewiesen, so die Experten von PwC. Banken und Fintechs – durch PSD2 kann aus ihnen im Idealfall eine für beide Seiten vorteilhafte Symbiose werden.

Ohne das Vertrauen der Kunden wird diese Rechnung jedoch nicht aufgehen. Dessen ist sich auch Brüssel bewusst: Um den Datenschutz zu stärken, verlieren iTAN-Listen voraussichtlich ab Herbst 2018 dank neuer „technischer Regulierungsstandards“ (Regulatory Technical Standards, RTS) ihre Gültigkeit. Auch das sogenannte Screen Scraping – eine Technik zum Auslesen von Informationen aus Webseiten – verbieten die RTS. Stattdessen soll der Zugriff auf Bankkonten durch Programmierschnittstellen erfolgen, um für mehr Sicherheit und Transparenz zu sorgen.

Für Kunden mag die Revolution der Finanzbranche unmerklich begonnen haben. Die Auswirkungen sind aber bereits deutlich spürbar. Für Banken wiederum ist das Rennen längst im Gange.
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