Wie Künstliche Intelligenz Mitarbeiter im Callcenter unterstützt.

Ein digitaler Coach, der jedes Telefonat im Callcenter begleitet und die Gesprächsführung analysiert: KI-Systeme können das leisten. Aber gehen am Ende beide Seiten auch zufriedener aus dem Gespräch?

  • KI-gestützte Software bietet Callcenter-Mitarbeitern Kommunikationsanalysen und Coaching in Echtzeit.
  • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen die Technik als Unterstützung wahrnehmen, nicht als Bedrohung oder Überwachungsinstrument.
  • Künstliche Intelligenz trägt zur Verbesserung im Kundenservice bei und fungiert dabei als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine.

An künstliche Stimmen, die uns bei Service-Anrufen freundlich durchs Menü begleiten, haben wir uns längst gewöhnt. Und mal ehrlich: Es ist ja auch schöner, jemanden zu hören, der permanent gleich gute Laune verbreitet, als mit einem gestressten, schlecht gelaunten Mitarbeiter zu sprechen. Voice Bots, die mithilfe KI-basierter Sprachfunktionen die Kommunikation mit dem Anrufer übernehmen, haben dank neuer Technologien wie Natural Language Processing (NLP) und ASR (Automatic Speech Recognition) seit Jahren große Fortschritte in der Kommunikation gemacht. So gibt es mittlerweile auch Emotionsanalysen, die gestressten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Callcenter helfen, eine Balance zwischen ruhigeren und anstrengenden Momenten zu finden. Stress-Gespräche sollen so auf alle Kolleginnen und Kollegen im Callcenter gleichmäßig verteilt werden. Für Kunden wie Mitarbeiter sicherlich eine sinnvolle Option. So weit so gut.

Doch wie sieht es aus, wenn ein Coach ständig Hinweise gibt, ob man Begriffe zu häufig oder zu selten benutzt, die Gesprächsführung analysiert und Hotline-Mitarbeitern Verbesserungsvorschläge unterbereitet?

Künstliche Intelligenz im Callcenter: Callcenter-Mitarbeiter sitzt lachend am Arbeitsplatz.

Künstliche Intelligenz im Kundenservice: Überwachung oder echte Hilfe?

Michael Brehm, der ehemalige Geschäftsführer des in Deutschland bekannten sozialen Netzwerks StudiVZ, hat mit seiner Firma i2x so ein Modell entwickelt. „Software, die den Job besser macht und dabei hilft zu lernen“, so lautet sein Versprechen. Da die Schulung in Callcentern während des Betriebs kaum möglich sei und die Motivation der Angestellten durch ständige Kritik sinke, fülle Brehm diese Lücke mit seiner speziellen Software. Dem Mitarbeiter am Telefon werden bestimmte Schlüsselwörter auf dem Bildschirm vorgeschlagen und abgehakt, wenn er sie im Verlauf des Gesprächs erwähnt. Auch Füllwörter oder Phrasen erkennt das System und weist die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf hin. Zusätzlich wandelt i2x in Telefonaten den Redeanteil des Callcenter-Mitarbeiters automatisch in Gesprächsprotokolle um, damit Teammanager die Leistung ihrer Mitarbeiter schwarz auf weiß haben. Für viele hört sich das nach George Orwells Überwachungsvisionen an: der Mensch als Spielball der Technik. Doch das Thema muss man etwas differenzierter betrachten.

Durch allgegenwärtige Smartphones gehört es zu unserem Alltag, Anweisungen des Navigationsgeräts zu befolgen oder Siri zu beauftragen, eine Playlist zu erstellen. Daraus hat sich mit der Zeit ein Vertrauensverhältnis entwickelt. Sogar gegen Autopilot-Landungen bei Flugzeugen haben die meisten nichts einzuwenden. Wenn KI nutz- und erklärbar wird, baut der Mensch über einen längeren Zeitraum Vertrauen auf. Im Zweifelsfall liegt die Entscheidung aber immer noch bei uns. Vertrauen schafft Verbesserungen – so sieht es Michael Brehm, wenn er auf die totale Kontrolle angesprochen wird. „Wir wollen den Mitarbeitern im Callcenter ja helfen, besser zu werden.“

Künstliche Intelligenz im Callcenter: Software wie i2x bietet Callcenter-Mitarbeitern Kommunikationsanalysen und Coaching in Echtzeit.
  1. Before Call: Die KI läuft über die Cloud und ist an VoIP-Systeme gebunden.
  2. During Call: Analyse und Live Feedback: Wie schnell rede ich, kommt mein Gegenüber zu Wort, wie oft verwende ich Floskeln? Außerdem wird das Gespräch in Echtzeit transkribiert.
  3. After Call: Anschließend steht das Gespräch zwecks Auswertung zur Verfügung.
Künstliche Intelligenz im Callcenter: Michael Brehm ist Gründer und Geschäftsführer der i2x GmbH.

KI als Hilfe wahrnehmen, nicht als Bedrohung.

Seine Kunden jedenfalls seien mit dem System zufrieden. Zudem könne die Software dabei helfen, neue Produkte oder neue Eigenschaften von Produkten sofort allen Mitarbeitern im Callcenter bekannt zu geben.

Wie viele Unternehmen setzt auch die Deutsche Telekom auf Künstliche Intelligenz im Kundenservice. „Grundsätzlich kann sich ein Kundenservice nur dann KI leisten, wenn die dort tätigen Menschen diese als Unterstützung bei ihrer täglichen Arbeit und nicht als Bedrohung ihrer Existenz verstehen“, erklärt Oliver Nissen, Leiter Social Media und Services in einem Interview. Die Telekom-Ambition sei es, dass ein Bot nur dann zum Einsatz komme, wenn er mindestens genauso gut wie die beschäftigten Menschen agieren könne. Und da liegt der Haken. Was KI aktuell noch nicht umfänglich leisten kann, ist ein wirkliches, tiefes Verständnis von sprachlichen Äußerungen, auf die sie nicht trainiert oder programmiert wurde.

Michael Brehm möchte mit i2x Callcenter-Mitarbeitern helfen, immer den richtigen Ton zu treffen. Ob das gelingt, wird sich in der Praxis zeigen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Kunden erhalten im Idealfall einen persönlicheren und stabilen Service, die Unternehmen wiederum mehr Einfluss auf das Resultat der Interaktion. Und die Angestellten im Callcenter sind im besten Fall entspannt.

KI als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine.

Doch KI stößt auch an Grenzen: Das Gespräch zwischen Kunde und Service-Mitarbeiter können solche Systeme nicht ersetzen. Der Bedarf nach gesundem Menschenverstand, emotionaler Intelligenz und Empathie bleibt bestehen. Als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine bietet KI den größten Nutzen – und zwar dann, wenn sie die Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergänzt. Je besser die KI unterstützt, desto besser werden sich Menschen auch in Zukunft im Kundenservice aufgehoben fühlen.
Photo credits: Westend 61 / Getty Images, Luis Alvarez / Getty Images, i2x / GmbH