Bloß nicht die Nerven verlieren: was man jetzt über den Kauf notleidender Kredite in Mittel- und Osteuropa wissen muss.

Finanzkrise und Rezession haben den europäischen Markt für notleidende Kredite (NPL) völlig verändert. In den letzten Jahren boten Mittel- und Osteuropa große Chancen, 2018 dürften es wieder einmal mehr werden. EOS-Vorstandsmitglied Marwin Ramcke erklärt seine Erfolgsstrategie für diesen stark zyklischen Markt.

Mit der Finanzkrise ging der Handel los.

"Das starke Wachstum unseres Osteuropa-Geschäfts wird sowohl von den Marktbedingungen als auch von unserer Strategie befeuert", sagt Ramcke. "Besser gesagt:  von unserer strategischen Flexibilität. Wir können schnell auf neue Chancen am Markt reagieren."

2007 und 2008 holte die Weltfinanzkrise Osteuropa ein. Banken mussten immer mehr Kredite als notleidend einstufen, vor allem besicherte, weil Hypotheken in der Regel ein viel größeres Volumen haben als etwa Privatdarlehen. "Wenn Finanzinstitute mit ihren Kreditportfolios Schwierigkeiten bekommen, können sie den Tag der Abrechnung lange vor sich herschieben. Aber irgendwann müssen diese Kredite als notleidend verbucht und Rückstellungen gebildet werden", sagt Ramcke.

Von 2008 bis 2013 stieg der Anteil notleidender Kredite am Bruttokreditvolumen In Ungarn und Bulgarien von rund 3 Prozent auf rund 17 Prozent, in Rumänien sogar auf 20 Prozent. Diese Länder liegen damit im Mittelfeld zwischen Deutschland mit einer NPL-Rate von etwas über 2 Prozent, und Griechenland mit seinen rekordverdächtigen 35 Prozent.

Marwin Ramcke macht keinen Hehl aus seinen Ambitionen für EOS’ Präsenz auf den Finanzmärkten Mittel- und Osteuropas. Als er 2007 ins Unternehmen kam, hatte EOS erst kurz zuvor seine ersten notleidenden Kredite (NPL) in Osteuropa gekauft. "80 Prozent aller Erträge wurden damals in Deutschland erwirtschaftet", sagt Ramcke, der heute Mitglied der Geschäftsführung ist. "Ich gehe aber davon aus, dass in ein paar Jahren nur noch ein Drittel unserer Einnahmen aus Deutschland kommt - und je ein Drittel aus West- und Osteuropa."

Im Laufe der Jahre konnte sich EOS in 15 mittel- und osteuropäischen Ländern als Marktführer beim Kauf unbesicherter Forderungen (Privatkredite, Kreditkartenverpflichtungen) etablieren. 2016 erwarb das Unternehmen seine ersten Pakete notleidender besicherter Forderungen (private und gewerbliche Hypothekendarlehen). Im letzten Jahr übernahm Ramcke die Verantwortung für alle EOS-Aktivitäten in Osteuropa. seitdem treibt er das Geschäft dort voran.

Erträge aus Zentral- und Osteuropa sollen sich verdoppeln.

Mittlerweile verwaltet EOS notleidende Hypothekendarlehen in Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Kroatien, Serbien, Ungarn, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Polen – also in neun der insgesamt 15 mittel- und osteuropäischen Länder, in denen das Unternehmen präsent ist. "Wir wollen in den nächsten zwei Jahren in all diesen Märkten weitere notleidende Kredite kaufen", sagt Ramcke. Und wennsich die Gelegenheit biete, könnten noch mehr Länder dazukommen.

Mit einem Nominalwert von 1,8 Mrd. Euro stammt ein Drittel aller im Geschäftsjahr 2016-2017 gekauften Forderungen aus Osteuropa. Der Jahresumsatz in der Region stieg zwischen 2016 und 2017 um fast 20 Prozent auf 131,1 Millionen Euro, etwas mehr als ein Fünftel des Gesamtumsatzes der EOS Gruppe. Und es steht zu erwarten, dass sich das Osteuropa-Ergebnis vor Steuern (EBT) im Geschäftsjahr 2017-2018 verdoppelt hat.

EU-Druck brachte den Markt in Bewegung.

"Gleichzeitig sank das Zinsniveau immer weiter und immer mehr internationale Investmentfonds suchten nach neuen Möglichkeiten, gute Renditen zu erzielen. Sie fingen an, in Osteuropa in NPL zu investieren", sagt Ramcke. "Parallel dazu haben Regulierungsbehörden und die EZB den Druck auf Banken erhöht, ihre NPL zu verkaufen, was diese dann auch endlich getan haben." Der Markt für besicherte Forderungen legt dadurch 2015 und 2016 kräftig zu.

"Als osteuropäische Banken in den Verkauf besicherter Forderungen einstiegen, konnten wir sehr schnell reagieren und uns einen Teil dieses neuen Marktes sichern," sagt Ramcke. "Wir hatten ja zehn Jahre Erfahrung im Handel mit besicherten Forderungen in Deutschland. Zudem war EOS bereits in 15 Ländern Osteuropas im Geschäft und kannte die rechtlichen Rahmenbedingungen sehr gut - im Gegensatz zu anderen Akteuren, die sich nun für besicherte Forderungen interessierten. Dank unserer Erfahrung mit unbesicherten Forderungen wussten wir auch viel über den Umgang mit Schuldnern und wir kannten viele der Banken.“

Warum das Geschäft mit besicherten Krediten schwierig ist.

Trotz aller Überschneidungen bedeutete der Einstieg in den Kauf besicherter Forderungen auch neue Herausforderungen. "Bei besicherten Krediten sind die Bewertungen schwieriger, oder zumindest teurer, da man hier meistens ein einzelnen Immobilienprojekt bewerten muss", sagt er. "Unbesicherte Kredite werden in der Regel in Paketen verkauft - viele tausend, oft sehr viel kleinere Darlehen, die man mit statistischen Methoden bewerten kann. Bei ihnen ist es also deutlich einfacher, bei der Bewertung allen Sorgfaltspflichten nachzukommen.“

Nach den ersten Transaktionen mit besicherten Forderungen 2016 in Kroatien und Rumänien richtete EOS in der Hamburger Zentrale das „NPL Transaction Center“ ein, um den osteuropäischen Landesgesellschaften bei der Bewertung und der Verwaltung von besicherten Krediten zu helfen. Außerdem hlefen Fintech-Innovationen wie die hauseigene Inkasso-Software Kollekto Plus und das „Center of Analytics“ den Kollegen in Osteuropa bei der Verwaltung von Schuldnern und Tilgungsplänen.

Manche Akteure reißen sich um notleidende Kredite.

"Der Markt für NPL ist sehr zyklisch und jedes Land befindet sich an einem etwas anderen Punkt zwischen der übermäßigen Kreditvergabe und der Bereinigung der Kreditportfolios," sagt Ramcke. "Deshalb ist es gut, wenn man in unserem Geschäft geografisch diversifiziert ist." Momentan sieht er die Möglichkeit von Zukäufen etwa in Ungarn und Kroatien, rechnet aber angesichts der andauernden Niedrigzinsen damit, dass sich die Konkurrenz zwischen den vielen kaufinteressieren Investoren weiter verschärfen wird.

"Der Schlüssel zum Erfolg ist Disziplin – man muss einfach wissen, ab welchem Preis eine Investition nicht mehr die Rendite liefern kann, die man braucht", sagt Ramcke. "Es ist wichtig, nicht gleich die Nerven zu verlieren, wenn man bei ein oder zwei Auktionen leer ausgeht." Der Investitionsdruck habe dazu geführt, dass Fonds sehr hohe Preise für notleidende Kredite zahlen. Bei einem Familienunternehmen wie der Otto Group stehe er nicht unter solchen Zwängen, sagt Ramcke. Seine unternehmerischen Ziele seien "nachhaltig" und nicht an ewig wiederkehrende Quartalsziele und -zahlen gebunden.

"Was mich am Geschäft in Ostereuropa am meisten überrascht hat, ist die Selbstsicherheit - oder die Selbstüberschätzung - einiger internationaler Fonds beim Bieten um notleidende Kredite." Einige schienen angesichts niedriger Zinsen so erpicht auf NPLs, dass sie bereit seien, jeden Preis zu zahlen und jedes Risiko einzugehen, sagt Ramcke: "In der nächsten Finanzkrise werden wir sehen, wer sich geirrt hat und wer richtig lag."